Cirque Pendelleuchte von Clara von Zweigbergk bei Louis Poulsen – charmant farbenfrohes Design! © Louis Poulsen

Frauen im Design - ist da doch ein kleiner Unterschied?

Warum sind so wenige Frauen - im Gegensatz zu Männern - bedeutend im Design? Zum Weltfrauentag diskutieren wir über diesen kleinen Unterschied:

von

Maren Tünker

Veröffentlicht am:

February 26, 2019 00:00

Lesezeit: ca.

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Ist es die Vorliebe zur organischen, lieber weicheren Form? Ein gewisser Hang zur speziellen Kurve? Eine kräftigere oder zurückhaltendere Farbauswahl? Ein stets nützlicher oder eher verspielter Ansatz in der Gestaltung? Unsere zufällige Auswahl der Entwürfe von Designerinnen widerlegt eine einheitliche Linie:

Eileen Gray und drei ihrer ikonischen Entwürfe: »Adjustable Table E1027 Beistelltisch« (1926), »Bibendum Sessel« (1926) und »Tube Light Stehleuchte« (1927).  © ClassiCon

Pionierinnen in Sachen Design in den 1920er Jahren
Die ersten durchschlagenden Erfolge konnten Designerinnen in den 1920er Jahren feiern: Eileen Gray und Charlotte Perriand im Schatten des großen Le Corbusier, Marianne Brandt am Bauhaus. Gerade letzteres forderte zwar in seiner Satzung auch die Frauen zum Studium an der neugegründeten Schule auf, schob aber die meisten Studentinnen in die unbeliebteren Web- und Keramikwerkstätten der Schule. Mehr dem gemeinschaftlichen Lernen und Arbeiten verpflichtet zeichneten sich nur wenige Frauen einzeln heraus wie Anni Albers, Gunta Stölz, Benita Koch-Otte und Otti Berger in ihren abstrakten Stoffdessins, die allesamt Karriere im leider viel zu wenig beachteten Textildesign anstrebten.

Links verführt der beliebte »Componibili« Schrank von Anna Castelli Ferrieri nun in biobasiertem Kunststoff. Rechts erfreut der schnittige »Tivoli Remix« von Gesa Hansen nicht nur als Nachttisch am Bett. © Kartell / The Hansen Family

Kaum Einfluss in der Gestaltung im Mid-Century-Design
Sozusagen im Keim erstickt finden sich unter den berühmten Designern des Mid-Century Designs nur wenige Frauen wie eine Greta Magnussen Grossman. Und die hatte meist das Gefühl »immer einen Schritt voraus« sein zu müssen, um erfolgreich ihr eigenes Studio zu führen. Meist versteckten sich die Frauen als stärkende Kraft hinter einem Manne: So wird der Einfluss von Ray Eames auf die Entwürfe ihres Mannes Charles Eames immer wieder negiert, auch wenn beide immer wieder emsig an neuen Entwürfen gemeinsam arbeitend gezeigt wurden. Und auch die großartigen Florence Knoll und Anna Castelli Ferrieri steckten viel zu viel Energie in die erfolgreiche Leitung eines Möbel-Unternehmens, als sich selbst zu profilieren.

Hella Jongerius und ihr früher ungeliebtes Textildesign: Für Vitra überwindet sie ihre Abneigung und widmet sich mit ihrem großartigen Farbverständnis den Stoffen der Schweizer Marke. © Vitra

Textildesign ist Frauendomäne
Und es ist schwer, sich in der Männer dominierten Welt durchzusetzen: Florence Knoll beklagte in ihrer Anfangszeit als Architektin, lediglich ein paar Innenräume ausstatten zu dürfen. Die leider viel zu früh verstorbene Zaha Hadid haderte vor ihrem durchschlagenden Erfolg, nur mit »Krümeln« bedacht zu werden. Hella Jongerius empfand schon den Beginn ihrer Ausbildung diskriminierend: »Männer studieren Industriedesign und Frauen Textildesign.« Dass letzteres trotz ihrer Vorbehalte und langem Gegensteuern aufgrund ihres hervorragenden Farbverständnisses ihr Erfolg wird, hätte Hella Jongerius nie gedacht und sich gewünscht.

Nani Marquina präsentiert stolz ihre »Tres« Teppiche – und dies zu recht, schließlich hat die spanische Designerin in den letzten Jahren eine erfolgreiche Marke aufgebaut. © nanimarquina

Was ist im Design weiblich oder männlich?
»Als Frau bewegt man sich in einer vorwiegend männlichen Umgebung, damit muss man zurecht kommen« sagt auch heute noch Patricia Urquiola, die in der Geschlechterfrage im Design eine klare Meinung vertritt: »Architektur und Design können nicht ausschließlich als männlich oder weiblich definiert werden, das ist zu einseitig. Es ist endlich an der Zeit die Grenze zwischen den Geschlechtern aufzuheben, statt sie zu betonen.« Und wir können Patricia Urquiola nur recht geben, denn wenn man neue serienreife Entwürfe junger Designerinnen und Designer vergleicht, wird man kaum einen Unterschied entdecken.

Patricia Urquiola ist vielseitig im Design unterwegs: Neben Möbeln wie ihr berühmter »Comback« Stuhl entwirft sie auch innovatives Geschirr wie die famosen »Jellies«. © Kartell

Unterschiedliche Herangehensweise im Design?
Das sieht Uta Brandes, Professorin in Gender- und Design-Forschung, entschieden anders, schließlich empfindet sie einen gehörigen Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Design. Schon in der unterschiedlichen Herangehensweise manifestiert sich der »kleine« Unterschied: Denn in ihren Seminaren beobachtet Uta Brandes, dass Studentinnen das gestellte Problem gründlich überdenken, das Drumherum wie Herstellung und Nachhaltigkeit, Nutzen und Bedienungsfreundlichkeit beachten, dafür aber risikoscheuer entwerfen und somit seltener einen großen Wurf landen. Männer dagegen experimentieren nach dem »Trial-and-Error-Prinzip«, reflektieren kaum die Konsequenzen ihres Handelns, sondern wollen vor allem ein neues »geiles Ding« entwerfen. Erst in der Überarbeitung zur Serienreife werden alle Für-und-Wider beachtet und der tolle Entwurf nach und nach zur Normalgröße geschrumpft. Sprich, das Ergebnis ähnelt sich.

Frauen und Männer zeigen unterschiedliche Karriereverläufe
Und diese unterschiedliche Herangehensweise führt zu anderen Karriereverläufen, erklärt Uta Brandes: Während Frauen lieber hinter einem großen Designer im Team arbeiten und somit zwar viel entwerfen, aber nur selten in ihrem Namen, suchen Männer das Rampenlicht, beharren auf die Nennung ihres Namens, wenn sie an einem Design eines großen Mannes mitgearbeitet haben. Und sie starten schneller ein eigenes Designstudio. Aber nur wer sich extrem selbstbewusst präsentiert, rund um die Uhr arbeitet, sich immer in die erste Reihe drängelt, hat Erfolg.

Ilse Crawford nur auf Textildesign festzulegen, wäre fatal, denn die britische Designerin ist in großen Teilen der modernen Gestaltung überaus bewandert. Für die spanische Marke nanimarquina entwickelt sie die überaus gemütliche »Wellbeing«-Serie. © nanimarquina

Wünschen wir also den jungen Designerinnen mehr Mut wie Clara von Zweigbergk, Cecilie Manz, Gesa Hansen, Front, Inga Sempé, Nani Marquina, Saskia Thomas, Ilse Crawford, Victoria Wilmotte, Lucie Koldova, Trine Andersen (ferm living), Elisa Giovannoni, Maria Christina Hamel, Ana Maria Calderon Kayser (Ames),  Mette Hay (HAY),  Kristine Five Melvær, Cini Boeri, Theresa Rand, Sandra Kaas Greve und Signe Holst (NoFred), Elena Salmistraro (...) aufzubringen, die Ellbogen auszupacken und sich durchzuboxen. Denn ihr Design ist einfach großartig und verdient einfach mehr Beachtung!

Quellen: 

notamuse, Interview mit Uta Brandes, 02.02.2017, URL: http://notamuse.de/de/interviews/uta-brandes, zuletzt aufgerufen am 26.02.2021. 

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